4.2 Batman Baraji
(Malabadi Köprüsü) am Batman Çayi Der Batman-Stausee
am Batman Çayi konnte an der Staumauer bei der Malabadi Brücke und
einige km nördlich aufgesucht werden. Der Stausee ist noch im Bau.
Die Staumauer selbst ist weitgehend fertiggestellt. Die Kanäle, welche
künftig das Bewässerungswasser ableiten sollen und die Wasserkraftanlage
werden noch gebaut. Der Batman Stausee hat eine Länge von max. etwa
23 km. Oberhalb schließt sich der Silvan-Stausee an. Wieweit der Bau
dieses Dammes derzeit gediehen ist, war von den lokalen Leuten an
der Malabadi-Brücke nicht zu erfahren. Offensichtlich ist die Information
und Beteiligung der örtlichen Bevölkerung völlig ungenügend.
Der Damm sperrt das Tal des Batman Çayi wenige hundert
Meter oberhalb der historisch außerordentlich wertvollen Malabadi
Brücke. Die Brücke wurde im 12. Jahrhundert errichtet und überspannt
den Fluß in einem 35 m weiten Spitzbogen. Durch den neu errichteten
Damm ist das Umfeld der Brücke stark beeinträchtigt. unterhalb der
Brücke ist die Flußaue vor allem von Kies- und Schotterbänken geprägt.
Am Rand der Aue sind Siedlungen gelegen. Weiter flußabwärts befinden
sich Gärten und Ackerflächen. Das Umfeld des Stausees ist von waldsteppenartiger
Vegetation geprägt. Etwa 50 bis 200 m² große Eichengruppen (max. 35
cm Stammdurchmesser) sind in eine beweidete Steppenlandschaft eingestreut.
Vielfach wurde zwischen den Baumgruppen Getreide angebaut. Der See
hat die gesamte Aue geflutet, Ufervegetation fehlt völlig. Einige
angebliche Zivilpolizisten erklärten im Gespräch, daß in zwei Jahren
Strom produziert werden soll. Die Bewohner der gefluteten Dörfer seien
mit Geld entschädigt worden. Über die Zahl der betroffenen Dörfer
bzw. Menschen war keine Information zu bekommen. Der Bauplatz ist
relativ großräumig mit Stacheldraht eingezäunt und durch einen größeren
Jandarma-Posten sowie einheimische Hilfspolizisten gesichert. Seitens
der Jandarma wurde behauptet, daß in der Region aktuell die Guerilla
aktiv wäre, erst kürzlich seien 5 Personen gesichtet worden. Der Zutritt
zur Baustelle wurde mir untersagt, lediglich einige Kilometer oberhalb
des Dammes konnte der Stausee aufgesucht werden.
Durch den Batman-Stausee wurden neben mehreren Dörfern
und der Kulturlandschaft des Batmantales auch zahlreiche historische
Zeugnisse vernichtet. Überflutet wurde zum Beispiel die etwa 8000
Jahre alte Siedlung Çemi Tepesi aus der Hallan-Zeit, ein Fundplatz
aus dem frühen akeramischen Neolithikum (Stoodt in Hinz-Karadeniz/Stoodt
1993).
4.3 Göksu Baraji und Region um Diyarbakir
An der Strecke von Diyarbakir nach Mardin befindet
sich etwa 35 km südöstlich von Diyarbakir der etwa 5 km lange Göksu-Stausee.
Er speichert das Wasser eines kleinen Nebenflusses des Tigris und
dient vorwiegend der Bewässerung. Von dem Stausee wird ein größerer
Bewässerungskanal gespeist, der große Schläge mit Wasser versorgt.
Eine wesentliche Kultur ist Baumwolle. Der Stausee liegt in einer
gehölzarmen hügeligen Steppenlandschaft, eine Ufervegetation fehlt.
Dem gegenüber zeigt das Göksu-Tal unter- und oberhalb des Stausees
eine vielfältige Kulturlandschaft mit Weiden, Wiesen und Gärten, Pappelwäldchen
und kleinen Gehölzen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Stausee
eine intakte Kulturlandschaft hoher Diversität zugunsten eines artenarmen
Standgewässers und großflächiger landwirtschaftlicher Monokultur vernichtet
hat. Allerdings sind bei derartigen relativ kleinen Speichern die
Auswirkungen relativ lokal und eher überschaubar, als bei den Großprojekten.
Unter den Bedingungen einer von Großgrundbesitz dominierten Agrarstruktur
kommt ein möglicher ökonomischer Nutzen nur wenigen zu Gute.
Die Region um Diyarbakir wurde vor allem während
der Fahrt nach Mardin in Augenschein genommen. Das Land wird großflächig
mit Getreide bebaut. Die Größe der Schläge läßt annehmen, daß es sich
bei dem größten Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche um Großgrundbesitz
handelt. In die Flächen sind größere überwiegend aus Wirtschaftsgebäuden
bestehende Anwesen eingestreut. Vielfach sind Investruinen größerer
Landwirtschaftsgebäude zu sehen, ein Zeichen, daß die wirtschaftlichen
Probleme der Region auch vor den Großgrundbesitzern nicht haltmachen.
Die Dörfer entlang der Hauptstraße sind noch bewohnt und unter militärischer
Kontrolle. In bewässerungsfähiger Lage wird großflächig Baumwolle
angebaut, eine Kultur, die besonders große Umweltrisiken durch die
Gefahr der Bodenversalzung und starken Pestizideinsatz aufweist.
Stauseen außerhalb von GAP
4.4 Keban und Kara Kaya Baraji an Firat Nehri und
Murat Nehri
Die beiden Stauseen wurden nur während der Fahrt von
Kovancilar nach Elazig bzw. auf der Zugfahrt von Diyarbakir nach Ankara
gestreift. Eingehendere Untersuchungen waren daher nicht möglich.
Interessant ist, daß im besichtigten Bereich beiden Stauseen eine
nennenswerte Ufervegetation fehlt. Sie wirken wie Fremdkörper ohne
bedeutende Lebensraumfunktion in der Landschaft. Außer einigen Großmöwen
aus der Silbermöwenverwandschaft wurden keine Vögel beobachtet. Auch
an den tw. trockengefallenen Ufern des Keban-Stausees wurden keine
Limikolen beobachtet obwohl eine gewisse Bedeutung als Rastgebiet
für diese Gruppe nicht auszuschließen ist.
Zu den Auswirkungen dieser Stauseen gehören die Zerstörung
hunderter Dörfer und die Überflutung zahlreicher archäologischer Stätten.
4.5 Staudamm am Munzur Çayi bei Tunceli
Bei dem Besuch der Provinz Dersim (Tunceli) wurde
festgestellt, daß sich am Munzur-Fluß ein Staudamm im Bau befindet.
Etwa 15 km südlich der Provinzhauptstadt sind derzeit die seitlichen
Verankerungen des Dammes und Tunnelröhren im Bau. Auch die Brücken
über Seitentäler für die notwendige Verlegung der Straße nach Tunceli
werden derzeit errichtet. Anhand dieser Bauten ist abzuschätzen, daß
der Stausee vermutlich fast bis an die Stadt reichen soll.
In dem (ehemals) weitgehend bewaldeten Bergland von
Dersim liegen wesentliche Garten- und Ackerflächen in der Munzur-Aue.
Diese würden ebenso wie mehrere Dörfer der Flutung zum Opfer fallen.
Die reich strukturierte Flußlandschaft des Munzurtales mit Kiesbänken,
Auengehölzen, Gärten und Feldern wird zerstört werden und die Region
wesentlich an ästhetischem und ökologischem Wert verarmen. In der
bereits durch den flußabwärts gelegenen Keban-Stausee stark beeinträchtigten
Region ist ein weiterer Verlust frei fließender Flußstrecke nicht
vertretbar. Für zahlreiche Organismenarten, besonders Fische und Wirbellose,
wird die Verkleinerung bzw. Vernichtung des Lebensraumes zum Aussterben
dieser führen.
Aus der lokalen Bevölkerung war zu erfahren, daß das
Projekt der Stromerzeugung dienen soll. Allerdings wurde ein Bedarf
für diese Elektroenergie in Frage gestellt, insbesondere aufgrund
des massiven Bevölkerungsrückganges der Provinz als Folge der Zerstörung
nahezu aller Dörfer durch türkische Sicherheitskräfte. Für die Bevölkerung
der Region hat der Munzur Çayi eine hohe kulturelle Bedeutung, tw.
wird er als heilig verehrt. Das Staudammprojekt hat daher auch eine
wesentliche innenpolitische Komponente zur Befriedung dieser Region,
die bereits seit mehr als 60 Jahren bis zum heutigen Tag Brennpunkt
kurdischer Aufstände und türkischer Unterdrückung und Assimilationspolitik
ist. Durch den Stausee werden weitere Menschen ihre Lebensgrundlage
verlieren und zur Abwanderung gezwungen. Andererseits werden qualifizierte
Arbeitskräfte aus der Westtürkei angesiedelt werden. Dadurch wird
die Region weiter türkisiert werden. Der Stausee dürfte auch Bewegungen
der Guerilla erschweren. Eigentümer von Land im Stausee-Bereich sollen
finanziell entschädigt werden. Allerdings wird von Betroffenen berichtet,
daß die Entschädigungen weit unter dem tatsächlichen Wert des Verlustes
liegen und keinerlei Beteiligung bzw. Einspruch zu den Planungen zugelassen
wurde. Besonders in dieser Region, in der selbst kulturelle Veranstaltungen
verboten sind, gegen die verbliebenen Dörfer ein Lebensmittelembargo
besteht, Äcker und Weiden außerhalb der Orte nicht betreten werden
dürfen und nächtliche allgemeine Ausgangssperre besteht, hat die lokale
Bevölkerung keinerlei Möglichkeiten, derartige Projekte zu beeinflussen.
4.6 Staudamm bei Yusufeli am Çoruh Nehri
Das Gebiet von Yusufeli in der Provinz Artvin ist
Standort eines geplanten Stausees zur Elektroenergieerzeugung. Nach
Aussagen des Naturschutzvereins (DHKD) sind die Planungen bereits
weit fortgeschritten und die Chancen für einen Stopp des Projektes
gering. Allerdings sind vor Ort bisher keine Baumaßnahmen zu beobachten.
Konkrete Informationen über das Projekt liegen uns bisher nicht vor.
Das von dem Staudamm betroffene Gebiet des Çoruh
und Altiparmaktales gehört zu den landschaftlich reizvollsten und
biologisch vielfältigsten Gebieten der Türkei. Die Täler haben bis
zu mehrere hundert Meter hohe steile Felswände. Die Aue wird landwirtschaftlich
und gartenbaulich genutzt. Eingestreut sind Pappel- und Weidengehölze.
Die Talhänge weisen eine reiche Flora mit zahlreichen Gehölzarten
auf. Mit dem Bau eines Staudammes wären mit Sicherheit drastische
Eingriffe in die Ökosysteme des Tales verbunden. Darüber hinaus sind
auch großräumige ökologische Schäden, z.B. durch Veränderung des Abflußverhaltens
und Unterbrechung des Sedimenttransportes zu erwarten.
Es sollten dringend genauere Informationen über das
Projekt, seine Ziele, Auswirkungen und den gegenwärtigen Stand der
Planungen gesammelt werden, um ggf. zu versuchen, den Bau zu verhindern.
5. Schlußfolgerungen
Die während der Bereisung aufgesuchten Staudammprojekte
sind sämtliche als schädlich aus ökologischer und sozialer Sicht einzustufen.
in allen Fällen sind weitreichende ökologische Schäden zu befürchten.
Auch durch nachträgliche Änderungen der Planungen wäre keine wesentliche
Reduzierung dieser Schäden zu erreichen. Die lokale Bevölkerung wurde
nicht in die Planungen einbezogen. Die Umsiedlungen erfolgen ohne
ausreichende Entschädigung und soziale Absicherung. Die Vertreibung
der Bevölkerung durch den Bau der Stauseen ist als Menschenrechtsverletzung
einzustufen. Die Staudammprojekte helfen nicht, eine nachhaltige Entwicklung
der Region einzuleiten. Im Gegenteil, sie verschärfen die Krise in
der Region und veranlassen weitere Tausende von Menschen zur Flucht.
Aus den genannten Gründen sind die Staudammprojekte abzulehnen. Die
europäischen Regierungen sollten die Staudammprojekte nicht finanziell
absichern, sondern sich bei der türkischen Regierung für die Verhinderung
des Baus neuer Dämme und eine Schadensbegrenzung bei den vorhandenen
bzw. im Bau befindlichen Anlagen einsetzen.
6. Literatur: -