Turkish rivers news
|
Pressreleases / Communiqués / Pressemitteilungen
(all in original language, en langue originale, in Originalsprache):
10.04.06
: * Nationaler Sicherheitsrat der Türkei: Ilisu-Staudamm
nicht mit EU-Recht konform Dies ist ein offenes Eingeständnis, dass der Bau des Ilisu-Staudamms nicht nach internationalen Standards erfolgt, denn auch das Völkergewohnheitsrecht sieht die Information und Konsultation der Flussanrainer vor. * Bericht des türkischen
Menschenrechtsvereins zu Ausschreitungen der vergangenen Wochen Der Bericht von IHD ist unter www.weed-online.org/ilisu erhältlich.
25.03.06 : Klage beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegen die Türkei, Österreich und Deutschland Im März 2006 reichten der Herausgeber der Zeitschrift Atlas, Ozcan Yuksek, der Archäologe Prof. Olus Arik, die Architektin Zeynep Ahunbay und der Rechtsanwalt Dr. Murat Cano Klage sowohl vor türkischen Gerichten als auch beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegen die Zerstörung der antiken Stadt Hasankeyf ein. Sie fordern, dass Hasankeyf nach der Europäischen Konvention zum Schutz des Kulturellen Erbes erhalten werden müsste. Die versprochene Umsetzung der Monumente sei dem Kulturgut unangemessen und technisch nicht realisierbar, zudem stünden Alternativen zur Energiegewinnung bereit, die die Überflutung Hasankeyfs überflüssig machen würden. Beklagt wird nicht nur die türkische Regierung, sondern auch Österreich und Deutschland, sollten sie die Bürgschaften für den Bau des Ilisu-Staudamms gewähren. * Massive Informationsdefizite und große Ablehnung des Ilisu-Projekts in betroffenen Dörfern
10.12.05 : Städteversenken mit Siemens (Reisebericht) Im Osten der Türkei droht das kurdische Städtchen Hasankeyf von einem Stausee verschlungen zu werden. Die Bewohner wollen dem Ilisu-Damm trotzen. von thomas schmidinger (text und fotos) Von Midyat, der
alten christlich-syrischen Stadt des Tur-Abdin-Gebirges zwischen Mardin
und Cizre, führt eine Straße nach Norden durch eine atemraubende
Hügel- und Felslandschaft mit einsamen, von yezidischen Kurden
und syrischen Christen bewohnten Siedlungen. Zwischendurch sind Ruinen
kurdischer Dörfer zu sehen, die von der türkischen Armee im
Krieg gegen die PKK zerstört und bis heute nicht wieder aufgebaut
wurden. Der Autobus, der mich nach Hasankeyf bringen soll, wird schließlich
von einer Straßensperre aufgehalten. Die Militärpräsenz
in Türkisch-Kurdistan ist im vergangenen Jahr wieder deutlicher
sichtbar geworden als in den Jahren davor. Die Wiederaufnahme des bewaffneten
Kampfes durch Angehörige der PKK wird nicht Der Bus kann schließlich
ohne größere Probleme die enge kurvenreiche Straße
weiter nach Norden fahren. Hasankeyf taucht erst hinter dem letzten
Hügel auf, kurz bevor man die Stadt erreicht. Vor mir liegt das
Ensemble einer mittelalterlichen islamischen Stadt am Ufer des Dincle,
des Tigris, der hier noch als kleinerer Fluss von Diyarbakir nach Cizre
zur irakisch-syrischen Grenze fließt. Hoch über der Stadt
thronen die Ruinen der alten Festung, darunter erstreckt sich ein lebendiges
Städtchen mit Moscheen aus der Ayubidenzeit, den Resten einer Tigris-Brücke
aus dem 12. Jahrhundert, einigen Kaffeehäusern und einem mittlerweile
eher auf die Bedürfnisse türkischer Inlandstouristen ausgerichteten
Basar. Dass die heutige Siedlung Die Römer errichteten die Stadt um 120 n. Chr. Mit der Christianisierung wurde die Handelsstadt zum Bischofssitz, ehe sie im Jahr 640 von den Arabern erobert wurde. Die Bevölkerung wohnte teilweise auf dem Festungshügel, teils in den darunter liegenden Höhlenwohnungen, von denen einige wenige bis heute von den ärmsten Bevölkerungsschichten der Stadt bewohnt werden. Dass die Stadt zwar
ein beliebtes Ausflugsziel für türkische Tagestouristen,
jedoch noch kein Reiseziel des internationalen Tourismus geworden ist,
zeigt sich nicht zuletzt an den Übernachtungsmöglichkeiten.
Nachdem ich mich dort eingemietet habe, spaziere ich noch hinunter zum Fluss. Dort kann man auf Podesten am Flussufer gegrillten Fisch essen, Kaffee oder Bier trinken. Zwei Junglehrerinnen aus Izmir, die das Unterrichtsministerium nach Van und Mardin geschickt hat, laden mich dort auf einen Kaffee ein und klagen mir ihr Leid, »am Ende der Welt« unterrichten zu müssen, wie sie meinen. »In Van gibt es nicht einmal eine Disco«, klagt Nilgün, eine schöne junge Frau, die lieber heute als morgen zurück ans Mittelmeer gehen würde. Auf meine Bemerkung, der Van-See sei doch auch schön, beginnt sie über ihre Einsamkeit unter den Kurden zu klagen: »Dort kann ich als Frau nicht einmal allein ein Bier trinken gehen.« Ihre Freundin klagt: »Meinen Schülern muss ich zuerst einmal richtiges Türkisch beibringen.« Auf meine Frage, ob sie denn selbst schon Kurdisch gelernt hätten, wenn sie schon ein ganzes Jahr in Kurdistan lebten, ernte ich nur verständnisloses Kopfschütteln, dafür aber umso mehr Begeisterung, als ich auf die Frage nach meiner Herkunft »Viyana« sage. »Wien würde ich gerne einmal sehen«, meint Nilgün. Mit den alteingesessenen
Bewohnern Hasankeyfs komme ich erst am nächsten Tag ins Gespräch.
Auf dem Weg zur Festung begegne ich einem Wasserträger mit einem
Esel. Jeden Tag bringt er das Trinkwasser vom Ort hinauf in das Haus
seiner Familie. Hier oben wohnen zurzeit noch jene, die sich kein moderneres
Haus im Zentrum der Stadt leisten können. Sollten die Pläne
der türkischen Regierung verwirklicht werden, könnten sie
jedoch die einzigen sein, deren Wohnstätte in Zukunft nicht vom
Wasser eines gewaltigen Stausees überflutet wird. Mit dem 135 Meter
hohen Ilisu-Staudamm, mit dessen Bau die türkische Das Unternehmen
VA-Tech und die türkische Regierung versuchen, internationale Kritik
an dem Projekt, das mit Hasankeyf immerhin eine Stadt unter dem Schutz
der Unesco zu versenken droht, mit dem Hinweis abzuwehren, dass die
Festung über der Stadt noch aus dem Wasser hervorragen würde
und ausgewählte historische Bauwerke versetzt werden sollen. Die
Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt haben für solche Pläne
allerdings kein Verständnis. Der Ilisu-Damm ist das Kernstück des Südostanatolien-Projektes (GAP). Bis 2010 sollen über ein Dutzend Staudämme an Euphrat und Tigris errichtet werden. Durch den 300 Quadratkilometer großen Ilisu-Stausee würden dem »Kurdish Human Rights Project« zufolge 12 000 Anwohner vertrieben werden, weitere 60 000 Bauern würden ihr Land und damit ihre Lebensgrundlagen verlieren. Die Männer im Kaffeehaus sind entsetzt über den Plan, ihre Stadt zu versenken. Ein alter Mann erklärt mir, während er an seinem Tee schlürft: »Ich wurde hier geboren. Ich werde hier ganz bestimmt nicht weggehen. Eher lasse ich mich von diesem Stausee ertränken!« Seine Freunde stimmen ihm zu: »Wir werden sicher nicht in eine neue Stadt ziehen. Wir werden uns mit allen Mitteln zur Wehr setzen.« Tatsächlich
zeigt sich die Stadtbevölkerung noch immer von ihrer trotzigen
Seite. Schon allein dadurch, dass sie versucht, das Alltagsleben weitergehen
zu lassen wie bisher. Einige Entschlossene bauen sogar neue Häuser
oder richten ihre alten neu her. Was anderswo alltäglich ist, wird
hier zum renitenten politischen Akt. Als ich an der Schneiderwerkstatt
und der Bäckerei vorbeispaziere, spricht mich ein alter Mann in
gebrochenem Deutsch an. Er hat in den siebziger und achtziger Jahren
als Gastarbeiter im Ruhrgebiet gearbeitet. Nach der Verrentung kam er
nach Hasankeyf zurück. Wir kommen ins Gespräch, und Doch zwischen Verbitterung und Hoffnung bleibt den Menschen in Hasankeyf auch gar keine andere Wahl, als ihren Alltag weiter zu leben. Bevor ich in den Bus nach Batman steige, besuche ich noch eine Moschee am Rande des Ortes. In das verfallene Gemäuer einer alten ayubidischen Moschee wurde vor wenigen Jahren eine kleine neue Moschee hineingebaut. Ein junger Mann saugt die Teppiche am Boden. Ein ganz alltägliches Bild, und doch denke ich, als der Bus losfährt, ich müsse es mir ganz besonders einprägen. Es könnte meine letzte Erinnerung an Hasankeyf werden. Jungle World, Nummer
1 vom 04. Januar 2006
|